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HF 1: Diabetesrisiko reduzieren

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Seiten zu COVID-19 und Diabetes nicht mehr aktualisiert werden und gegebenenfalls einen veralteten Stand darstellen. In diesem Bereich werden Ergebnisse des RKI sowie von Kooperationspartnerinnen und -partnern zu Diabetes und COVID-19 präsentiert.

Stand: 05.07.2023

Diabetesrisiko in der COVID-19-Pandemie

Während der COVID-19-Pandemie kam dem Gesundheitsverhalten eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen kann das Gesundheitsverhalten den Krankheitsverlauf von COVID-19 beeinflussen und zum anderen führen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu einer Veränderung des Gesundheitsverhaltens, welche wichtige Risikofaktoren für die Entstehung eines Diabetes umfassen. Neben dem Gesundheitsverhalten können die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auch Einfluss auf die Neuerkrankungen (Inzidenz) des Diabetes haben. Weiterhin werden direkte Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf das Diabetesrisiko diskutiert. Für den Typ-1-Diabetes zeigte sich bei Kindern und Jugendlichen ein Anstieg der Inzidenz im Zeitraum 2020-21 im Vergleich zu den Vorjahren. Auch für den Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen deuten erste Ergebnisse auf einen Anstieg an Neuerkrankungen hin.

Kernaussagen:

  • Zu Beginn der COVID-19-Pandemie spiegelten sich die Einschränkungen im öffentlichen Leben nur bedingt in Veränderungen des Gesundheitsverhalten der Bevölkerung wider.
  • Während der COVID-19-Pandemie ließen sich keine auffälligen Änderungen in der generell abnehmenden Häufigkeit des Tabakrauchens in Deutschland beobachten.
  • Nach der Einführung der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie hat das Körpergewicht um etwa 1 kg in der erwachsenen Bevölkerung zugenommen.
  • Im Verlauf der COVID-19-Pandemie konnte ein Anstieg der Inzidenz für Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland beobachtet werden.
  • Nach einer SARS-CoV-2-Infektion zeigt sich unter erwachsenen Patientinnen und Patienten von Hausarztpraxen eine höhere Inzidenz des Typ-2-Diabetes als in der Kontrollgruppe.

Gesundheitsverhalten in der COVID-19-Pandemie

In einer Übersichtsarbeit beschrieben Jordan et al. (2020) das Gesundheitsverhalten anhand der Themen Rauchen, Alkoholkonsum, Ernährung, körperliche Aktivität und Adipositas im Kontext der COVID-19-Pandemie. Dabei stellten sie fest, dass das Risiko einen schweren Erkrankungsverlauf aufzuweisen direkt durch Rauchen und Alkoholmissbrauch und indirekt durch körperliche Inaktivität und eine unausgewogene Ernährung erhöht wird. Während sich für Deutschland zum Zeitpunkt des Reviews keine Auswirkung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf das Bewegungs- und Rauchverhalten sowie den Alkoholkonsum zeigten, lagen für das Ernährungsverhalten ambivalente Ergebnisse vor. Die Ergebnisse deuten jedoch unterschiedliche Tendenzen für verschiedene Bevölkerungsgruppen und damit soziale Ungleichheiten im Gesundheitsverhalten an. Detaillierte Ergebnisse zu den Themen Rauchen und Körpergewicht auf Basis der GEDA-Studie sind im Folgenden beschrieben.

Rauchverhalten in der COVID-19-Pandemie

Bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Pandemie wurde über Rauchen als Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Erkrankungsverlauf und eine damit verbundene erhöhte Sterblichkeit berichtet (WHO 2020). Vor diesem Hintergrund erscheinen vermehrte Versuche zur Aufgabe des Rauchverhaltens während der Pandemie als plausibel. Auf der anderen Seite könnte die Pandemie aber auch zu einem erhöhten Konsum von Tabakprodukten beitragen (Georgiadou et al. 2020).
Damerow et al. (2020) beobachteten in der GEDA-Studie von April 2019 bis September 2020 eine Abnahme des Anteils von Tabakrauchenden in Deutschland von 32,6 % auf 28,1 %. Auffällige Änderungen in diesem Trend während der Pandemie und der Eindämmungsmaßnahmen waren aber nicht ersichtlich. Auch Untersuchungen des Tabakkonsumverhaltens während der Pandemiebeschränkungen von Mitte März bis Anfang Mai 2020 in der Gemeinde Kupferzell (Baden-Württemberg) im Rahmen der Studie "Corona-Monitoring lokal“ (CoMoLo), zeigten, dass ein Großteil der Befragten das Risikoverhalten nicht geändert hat (Wurm et al. 2021). Bestimmte Gruppen sind allerdings den Studienergebnissen zufolge anfällig für eine gesundheitlich ungünstige Verhaltensänderung. So berichteten anteilig mehr Frauen als Männer, nach Einführung der Pandemiemaßnahmen mit dem Rauchen angefangen zu haben oder mehr zu rauchen als vorher. Für vertiefende Analysen zum Rauchverhalten in Verbindung mit COVID-19, etwa in Bezug auf die Intensität des Konsums, bedarf es weiterer Studien.

Körpergewicht und Body Mass Index in der COVID-19-Pandemie

In dem Artikel von Damerow et al. (2020) werden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die gesundheitliche Lage der erwachsenen Bevölkerung, einschließlich von Veränderungen des Körpergewichts und des Body Mass Index (BMI), auf Basis von Daten der bundesweiten GEDA-Befragungsstudie (GEDA 2019/2020-EHIS) untersucht. Die Analyse zeigt für den Zeitraum April bis August 2020 im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr eine Zunahme des durchschnittlichen Körpergewichts von 77,1 kg auf 78,2 kg und des durchschnittlichen BMI von 25,9 kg/m2 auf 26,4 kg/m2 in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands. Diese Trends könnten mit pandemiebedingten Veränderungen im Alltag zusammenhängen und sollten weiter beobachtet werden.

Soziale Deprivation im Kontext der COVID-19-Pandemie

Gemäß dem Review von Wachtler et al. (2020a) gibt es in der internationalen Forschungsliteratur Hinweise darauf, dass das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 und das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf bei sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen erhöht ist. So könnten beispielsweise die Arbeitsbedingungen oder Wohnverhältnisse von sozial benachteiligten Gruppen zu einer erhöhten Transmission von SARS-CoV-2 beitragen.
In Deutschland zeigte sich laut Wachtler et al. (2020b) zu Beginn der Pandemie eine höhere COVID-19-Inzidenz in Regionen mit höherem Einkommen und Bildungsstatus. Dieser Trend kehrte sich in südlichen Bundesländern jedoch Mitte April 2020 zuungunsten der stärker sozioökonomisch deprivierten Regionen um. Diese Ergebnisse unterstrichen die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Monitorings, um sozialepidemiologischen Muster im COVID-19-Geschehen zu erkennen und der Zunahme der gesundheitlichen Ungleichheit zu entgegen zu wirken.

Inzidenz von Typ-1-Diabetes in der COVID-19-Pandemie

Während Tittel et al. (2020) in einer ersten Studie auf Registerdatenbasis, welche die Inzidenz von Typ-1-Diabetes zwischen März und Mai 2020 mit den vorangegangenen Jahren 2011-19 verglich, keine signifikante Erhöhung feststellte, zeigte sich in der Fortsetzung der Analyse von Kamrath et al. (2022) ein Anstieg der Inzidenz des Typ-1-Diabetes. So lag die Inzidenz zwischen 01. Januar 2020 und 30. Juni 2021 mit 24,4 je 100.000 Personenjahre (95%-KI: 23,6-25.2) über der erwarteten Inzidenz von 21,2 (95%-KI: 20,5-21,9) und ergab eine incidence rate ratio (IRR) von 1,15 (95%-KI: 1,10-1,20). Die IRR unterschied sich nicht zwischen Jungen und Mädchen. Stratifiziert nach Altersgruppen zeigten sich für die Kinder unter 6 Jahren (1,23; 95%-KI: 1,13-1,33) und 6-11 Jahren (1,18; 95%-KI: 1,11-1,26) eine erhöhte IRR, während diese für die Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren nicht signifikant erhöht war (1,06; 95%-KI: 0,98-1,13). Die Studie von Weiss et. al. (2023) auf Basis von Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern liefert Hinweise für einen Zusammenhang zwischen einer SARS-CoV-2-Infektion und einem Anstieg der Inzidenz des Typ-1-Diabetes bei Kindern. Während der Pandemie lag die Inzidenzrate von Typ-1-Diabetes bei Kindern ohne SARS-CoV-2-Infektion im gleichen oder in einem früheren Quartal bei 28,5 (95%-KI: 26,3-30,9; 620 Fälle) pro 100 000 Personenjahre. Bei einer SARS-CoV-2-Infektion im gleichen Quartal lag die Inzidenzrate von Typ-1-Diabetes hingegen bei 55,2 (95%-KI: 37,1-81,5; 27 Fälle) pro 100 000 Personenjahre (P < 0,001 vs. COVID-19-negativ). Bei einer SARS-CoV-2-Infektion war das alters- und geschlechtsstandardisierte Risiko für eine Neudiagnose mit Typ-1-Diabetes um mehr als 50% erhöht (Hazard Ratio: 1,57; 95%-KI: 1,32-1,88). Auch van den Boom et al. (2022) konnte eine Erhöhung der Inzidenz von Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren im Sommer 2020 (beobachtet: 25,9 je 100.000 Personenjahre; erwartet: 18,0) und 2021 (beobachtet: 27,1; erwartet: 16,5) im Vergleich zur präpandemischen Zeit feststellen. Die IRR lag bei 1,44 (95%-KI: 1,30–1,58) in 2020 bzw. 1,65 (95%-KI: 1,49–1,82) in 2021. In den Pandemiejahren zeigte sich eine geringere Saisonalität der Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes als in den Jahren vor der Pandemie mit unerwartet hohen Inzidenzen auch in den Sommermonaten. In der Untersuchung wurde die Anzahl von Neuverschreibungen von Insulin für die Inzidenz verwendet. Weiterhin konnte Tesch et al. (2023) in einer Analyse der Versichertendaten ausgewählter gesetzlicher Krankenkassen zeigen, dass es eine SARS-CoV-2-Infektion mit einem erhöhten Risiko für eine Neuerkrankung an Typ-1-Diabetes einhergeht (Inzidenzrate (IR) Infizierte: 0,78; IR Kontrollgruppe: 0,62). Dabei lag das IRR bei 1,25 (95%-KI: 1,08-1,46). Hinsichtlich der Ursache des Anstiegs der Inzidenz des Typ-1-Diabetes sind weitere Studien notwendig.

Inzidenz von Typ-2-Diabetes nach COVID-19-Erkrankung

Im Artikel von Rathmann et al. (2022) wird die Inzidenz (Neuerkrankungsrate) von Diabetes nach einer zwischen März 2020 und Januar 2021 dokumentierten SARS-CoV-2-Infektion auf Datenbasis von mehr als 1000 allgemeinärztlichen und internistischen Arztpraxen mit 8,8 Millionen erwachsenen Patientinnen und Patienten in Deutschland untersucht. Unter den etwa 35.000 Personen mit COVID-19 zeigt sich im Nachbeobachtungszeitraum bis Juli 2021 eine höhere Inzidenz des Typ-2-Diabetes (15,8 pro 1000 Personenjahre) im Vergleich zur gleichen Anzahl von Personen einer Kontrollgruppe, d. h. von Personen ohne SARS-CoV-2-Infektion, jedoch mit einer akuten Infektion der oberen Atemwege, die hinsichtlich Geschlecht, Alter, Begleiterkrankungen und anderen Charakteristika den SARS-CoV-2 infizierten Personen entsprechen (12,3 pro 1000 Personenjahre; Inzidenzraten-Verhältnis: 1,28 (95%-KI 1,05 – 1,57). Aufgrund zu kleiner Fallzahlen wurde die Inzidenz des Typ-1-Diabetes in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Für andere Formen von Diabetes war die Inzidenz nicht erhöht. Die Autoren schlussfolgern, dass bei Bestätigung des beobachteten erhöhten Risikos für Typ-2-Diabetes bei Personen mit COVID-19 in anderen Studien, eine aktive Überwachung von Störungen in der Blutzuckerregulierung nach der Genesung auch von milden COVID-19-Krankheitsverläufen angezeigt ist.

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